Mittlerweile – August 2021 – stehen wir am Beginn der vierten Corona-Welle und an eine Einreise in das Land der Kängurus ist noch immer nicht zu denken. Die ehemaligen ausgesiedelten Häfenbrüder haben ihre Gefängnisinsel nun umgedreht und alle anderen ausgesperrt. Kein Tourismus, keine Ausländer, keine Motorrad-Rundreise. Nun ist der Plan auf nächstes Jahr (2022) verschoben, wo wir dann (hoffentlich) von Korea aus nach Sydney fliegen und unsere Tour beginnen können. Ob das klappt, wissen die Götter und die Virologen.
Da ich aber schon heftige Motorrad-Entzugserscheinungen gezeigt habe, sind wir heuer drei Wochen lang am und im Mittelmeer herumgefahren. Kroatien – Italien – Sizilien – Sardinien – Korsika war die Route, mit etlichen Fähren dazwischen und einem Autozug von Verona nach Wien am Ende, weil ich die Strecke von dort schon kenne und nicht nochmal fahren wollte. Ausgesucht haben wir uns dafür natürlich die heißeste Zeit seit Jahren und weil das noch nicht reichte, auch noch die Saison der meisten Feuersbrünsten seit überhaupt in Italien. In Griechenland und der Türkei war es zwar anscheinend noch schlimmer, aber uns hat’s auch gereicht.
„Seid’s wahnsinnig?“ tönte es uns mehrfach entgegen, als wir von unserem Reiseplan erzählten. „Da unten brennt doch momentan alles!“. Da unten hat dann schon vieles gebrannt, aber meist waren die Feuer schon ausgegangen oder haben irgendwo auf den Hügeln ein bisschen geraucht und gelodert als wir vorbeifuhren. Die Italiener waren ziemlich cool und haben sich nicht viel drum geschert, sondern lieber die Strände und die Restaurants bevölkert. Ausländische Touristen waren nicht viele zu sehen und es war kein Problem, jeweils eine Unterkunft zu finden, so unvorbereitet, wie wir immer losfahren.
Gleich am ersten Tag war ich sehr froh, mit dem Motorrad unterwegs zu sein, denn an der Grenze von Slowenien nach Kroatien stauten sich die Fahrzeuge wir zu den seligen Zeiten des Ostblocks. Wir fuhren natürlich auf der Pannenspur nach vorne und waren im Nu durch. Zwei Zöllner-Schnecken stempelten im Zeitlupentakt die Corona-Ausweise der Einreisewilligen und tippten mit zwei Fingern alle Daten des Reisepasses plus was ihnen sonst noch an den Einreisenden so auffällt in einen Amiga-PC. Auf der Gegenfahrbahn war der Stau zwanzig Kilometer lang. Wie wir später erfuhren standen die Leute elf Stunden im Stau und übernachteten auf der Autobahn.
Wir hingegen im Hotel Korana in Karlovac, das ich schon von früher kannte. Nach einer erholsamen Nacht startete ich das Gerät und fuhr vor den Hoteleingang um das Gepäck aufzuladen. Als alles aufgepackt war und wir startbereit auf der Maschine saßen drückte ich den Startknopf und – nix. Schon gestern Nachmittag war mir aufgefallen, dass die BMW auf der Autobahn im sechsten Gang leichte Aussetzer hatte, genug um mir Sorgenfalten auf die Stirn zu zaubern, aber nicht genug um wirklich Probleme zu vermuten. Jetzt standen wir vor dem Hotel in Karlovac und die Kraxn war kaputt. Dabei müssten wir heute bis Crvena Luka an die Küste fahren, wo wir vier Tage in einem Resort gebucht hatten.
Das freundliche Hotelpersonal telefonierte um einen Mechaniker. Der kam nach einer Stunde und meinte, er könne nichts machen, wir müssten in die Werkstatt nach Zagreb zurückfahren, wo sie aber erst wieder am Montag öffnen würden – heute war Samstag. Zu guter Letzt setzte er sich nochmal auf den Bock, drückte den Starter und der Motor erwachte zum Leben, als sei nichts gewesen. Eigentlich war auch nichts gewesen. Ich hatte nur den ersten Gang drin bei meinen Startversuchen, und da springt er eben nicht an.
Fünfzig Euro für nichts an den Mechanikermeister – immerhin hatte er den Leerlauf gefunden – und wir fuhren endlich los. Am Abend kamen wir auch pünktlich in Crvena Luka an. Nach vier erholsamen Tagen an der kroatischen Küste ging es dann nach Split, von wo wir mit der Fähre nach Ancona übersetzten. Die nächsten drei Wochen fuhren wir die italienische Küste hinunter nach Bari, dann quer durch Italien über Tarent an den Zipfel des Stiefels wo wir die Fähre nach Messina in Sizilien nahmen. Vier Tage in einem Golf Resort an der Flanke des Ätna waren wieder sehr erholsam, bevor wir uns Richtung Palermo aufmachten. Von dort ging es nach Sardinien und nach weiteren drei Tagen nach Korsika.
Am Morgen unseres vorletzten Tages auf Korsika wollte ich der BMW einen kräftigen Schluck Motoröl gönnen. Immerhin waren wir schon wieder ungefähr dreitausend Kilometer gefahren und ein rotes Licht unter dem Tacho glotzte mich schon länger böse an. Natürlich hatte ich in einer am Sturzbügel montierten Tool Tube Motoröl dabei (in der anderen transportierten wir Trinkwasser, das aber in der Tageshitze zu heißem Teewasser wurde) und so öffnete ich den Ölstopfen im Zylinder um nachzufüllen. Schon hatte ich den oberen Teil in der Hand, während der untere schief im Zylinder hing. Das verdammte Sicherheits-Ding löste sich auf. Ich füllte also Öl nach und versuchte dann, das Loch wieder dicht zu kriegen, aber die verbliebene Hälfte des Ölstoppels fiel immer wieder heraus.
Endlich schien der Stoppel fest zu sein und wir fuhren los. Wir kamen aber nur zwei Kilometer weit, dann wurde der Rest des Ölstoppels mit einem Knall aus dem Zylinder geschossen. Ich erhielt eine Öldusche und musste sofort anhalten. Unmöglich, so weiter zu fahren. Nachdem wir eine halbe Stunde lang beide Seiten der Landstraße nach dem verlorenen Stopfen abgesucht hatten war klar: den finden wir nicht mehr. Gefunden hatte ich aber einen rechteckigen Gummistopfen und etwa einen halben Meter abgerissenen Zurrgurt. Die Aufgabe war nun, den rechteckigen Gummistopfen in das runde Öl-Nachfüllloch zu stecken. Ich kam mir vor wie ein Schwachsinniger beim praktischen Psycho-Test. Die RUNDEN Klötze in die RUNDEN Löcher, Norbert, und die RECHTECKIGEN Klötze in die RECHTECKIGEN. Mal sehen, wie lange Du dazu brauchst.
Nach zehn Minuten Schnitzarbeit mit meinem Leatherman-Werkzeug passte es fast. Drüber wurde der Zurrgurt um den ganzen Zylinder gewickelt und festgebunden – fertig. Die nächste BMW Motorrad Werkstatt war in Bastia in etwa hundertzwanzig Kilometer Entfernung und es war klar, dass wir mit dieser Notreparatur nicht soweit kommen würden. Wir kamen aber immerhin zwanzig Kilometer weit bis zu einer Tankstelle mit Werkstatt. Die polyglotte Bevölkerung Korsikas spricht perfektes Französisch, sonst aber nichts. Ich hingegen kann mich in vier verschiedenen Sprachen verständlich machen, Französisch kann ich auch ganz gut, nur das Sprechen fällt mir schwer. Ich bekam aber mit, dass niemand in der Werkstatt war und die nette Dame im Tankstellenbüro immerhin einen Abschleppwagen nach Bastia organisieren könnte. Das Angebot nahmen wir gerne an.
Der Abschleppwagen erschien nach einer weiteren Stunde und für wohlfeile dreihundertsechzig Euro kamen die BMW huckepack und wir im Führerhaus des Lastwagens nach Bastia zur BMW Werkstatt. Es war Donnerstag und am nächsten Tag ging unsere Fähre zurück nach Livorno in Italien. Am darauffolgenden Tag fuhr dann der gebuchte Autozug von Verona nach Wien. Gottseidank in der Werkstatt, dachten wir, geht sich alles locker aus. Denkste.
Der Mechaniker kam, sah und winkte mahnend mit dem Finger. Ts, ts, ts, wie kann man einen Ölstopfen verlieren? Ich verzichtete darauf, ihm den genauen Hergang zu erklären, schon wegen meiner mangelnden Französisch-Sprachkenntnisse. Nach zehn Minuten kam dann ein Büromensch heraus, der auch Englisch konnte und sagte, der Ölstopfen müsse bestellt werden. Er kommt dann am Dienstag. Das ging nun aber gar nicht. Am Dienstag mussten wir schon zwei Tage lang in Wien sein, wir würden die Fähre und den Autozug verpassen. Ich muss aber ganz schön traurig geschaut haben denn kurz darauf wurde mit mitgeteilt, wir bekommen den Ölstoppel einer anderen BMW aus der Werkstatt. Den Bestellten würden sie dann am Dienstag wieder auf das kannibalisierte Motorrad draufschrauben.
Das war nun eine ganz tolle kundenfreundliche Lösung, noch dazu wo wir nur den neuen Ölstoppel bezahlten (€ 16.-) und keine Arbeitszeit verrechnet wurde. Deshalb kommt hier auch die tolle BMW-Werkstatt in Bastia vor den Vorhang:
BMW Motor Bike Bastia, 1653 Av. Sampiero Corso, 20600 Furiani, Frankreich
https://partenaire.bmw-motorrad.fr/bernardinibastia/
So erreichten wir am folgenden Tag die Fähre nach Italien , wo wir nahe Livorno noch ein letztes Mal in einem Hotel am Strand übernachteten. Am nächsten Tag fuhren wir dann nach Verona und verbrachten die letzte Nacht auf einer schmalen Pritsche im Liegewagen des Autozuges nach Wien, während die BMW gemeinsam mit anderen Kollegen gut verzurrt durch die Nacht schaukelte. Sonntag früh kamen wir wieder zuhause an.
Man sieht, man muss nicht nach Australien fahren, um Motorradabenteuer zu erleben. Den Ölstoppel hab ich aber tausendmal lieber auf einer Landstraße in Korsika verloren, als im australischen Outback. Ich bin aber sicher, auch dort werden wir von unerwarteten Problemen überrascht werden. Weshalb ich auch schon angefangen habe zu lernen, wo man nach Wasser gräbt und wie man Insekten am besten zubereiten kann. Be Prepared!