Die Vorbereitungen

Ich wache auf und meine rechte Hand juckt. Zuerst beachte ich das nicht, aber nach ein paar Minuten verkrampft sie sich zu einer lockeren Faust und beginnt rhythmisch nach oben zu zucken. Gleichzeitig fangen die Finger der linken Hand an synchron auf und zu zu schnappen. Ich liege still und ignoriere das alles. Vergeblich. Jetzt verspannt sich auch noch der linke Knöchel und schnappt mit den Zehen alle paar Sekunden nach oben. Keine Chance. Ich muss aufstehen und ein bißchen auf und ab gehen um das Gezappel los zu werden. Siebenundsechzig Jahre bin ich jetzt alt, trotzdem ein wenig früh, denke ich, um mit dem Alterszipperlein anzufangen. Gottseidank ist meine Frau Ärztin – und eine gute. Ich schildere ihr also die Symptome und ihre Augen werden schmal. Noch schmaler als gewöhnlich, denn sie ist Koreanerin. „Kommt nicht in Frage.“ sagt sie.

Das kenne ich schon. Als ich ihr vor zwei Jahren eröffnete, dass wir mit dem Motorrad in die Mongolei und weiter nach Korea fahren reagierte sie ähnlich. Im Laufe des Jahres der Vorbereitung auf diese große Reise wurden ihre Abwehrversuche dann immer schwächer. Ich bin schließlich ein Meister der Taktik ‚Steter Tropfen höhlt den Stein‘. Schlussendlich hockte sie achtzehntausend Kilometer lang auf dem Motorrad hinter mir auf dem Sack mit dem Zeltgestänge. Auf der Sitzbank war kein Platz mehr weil wir natürlich zu viel Zeug mitgenommen hatten. Ich liebe sie.

Als wir schließlich nach dreieinhalb Monaten wieder zuhause waren hatten wir beide für eine Weile genug vom Motorrad fahren. Die Route über den Pamir Highway und durch die Mongolei war beileibe kein Zuckerschlecken und ich war froh wieder den Gasfuß statt der Gashand betätigen zu können. Das gesamte Abenteuer mündete schließlich in ein Reisebuch: „Silkroad 66“ (ISBN: 978-3-200-05965-8) und eine Reihe von Multimediavorträgen in Österreich. Jetzt aber liege ich im Bett und die Gashand juckt und zuckt. Dazu schnappen die Kupplungsfinger und der linke Schaltfuß. Kein Zweifel: die BMW ruft.

Gleich nach der Rückkehr fragten uns natürlich viele, wo wir denn als Nächstes hinfahren würden. Das war nicht einfach zu beantworten. Meine Sozia hätte gesagt „In die nächste Therme. Mit dem Auto.“ aber das passte nicht zu meinem neuerworbenen Image als weltreisender Biker. Nach dieser Tour um die östliche Hälfte des Erdballs musste ich etwas ähnlich Verrücktes finden. Die Panamericana.

Ein Blick auf Google Maps zeigt: von Alaska nach Feuerland, etwa fünfundzwanzigtausend Kilometer aus der Kälte Alaskas in den mittelamerikanischen Dschungel und weiter Richtung Antarktis. Super. Ich bin beileibe nicht der einzige Wahnsinnige der diesen Trip im Kopf hat. Das schlaue Internet präsentiert viele Reiseberichte von Leuten, die das schon gemacht haben. Bei genauerer Betrachtung kommt man aber drauf, dass diese Reise noch länger dauern würde als unsere Fahrt nach Korea. Ein halbes Jahr sollte man schon einplanen, wenn man nicht wie ein Verrückter durch Nord- und Südamerika Richtung Feuerland brettern will. Das ist für uns aber derzeit noch schwierig. Zwar sind wir beide offiziell ‚in Pension‘, arbeiten aber nach wie vor in meiner Sportschule bzw. in You Song’s Akupunkturordination. Sechs Monate oder länger abhauen geht (noch) nicht.

Als Alternative bot sich Australien an. Da wollten wir ohnehin schon lange hin, weil es der letzte Kontinent ist, auf dem wir noch nicht waren. Außerdem hört man immer Wunderdinge von der fantastischen Landschaft und den relaxten Australiern. Down Under also. Und die „68“ ist auch klar: im geplanten Reisejahr 2020 sind wir beide dann achtundsechzig Jahre alt.

Ich beginne also meine bessere Hälfte zart mit australischen Dingen einzuseifen. Da ein lustiger Clip auf Youtube mit einem Känguruh „Schau mal das nette Känguruh!“, dort ein tolles Foto von einem Luxusresort an der australischen Goldküste. Vor dem Schlafengehen spiele ich eine zärtliche Melodie auf dem Didgeridoo und die Haare lasse ich länger wachsen und verfilzen um einem australischen Ureinwohner ähnlicher zu sein. Auf dem Fernseher läuft ‚Crocodile Dundee‘ vom Recorder in Dauerschleife (alle drei Teile). Nur die ‚Mad Max‘-Trilogie lasse ich wohlweislich aus, weil da könnten bei meiner Gattin ungute Erinnerungen an die Sandpisten in der Mongolei aufkommen.

Schön langsam beginnt meine List zu wirken. Die skeptischen Schnaufer meiner Holden werden seltener und ihre Blicke verweilen immer interessierter auf den vielen Hochglanzfotos australischer Sehenswürdigkeiten, die ich ihr unermüdlich vorlege. Um meine Göttergattin gnädig zu stimmen habe ich heute eine neue Sitzbank für BMW gekauft. Die alte war schon wirklich hinüber und mit Panzerband notdürftig geflickt. Auf der neuen von Touratech sitze ich zirka zwei Zentimeter tiefer und endlich komme ich auch mit beiden Füßen auf den Boden wenn die Kiste steht. Da fühlt man sich gleich viel sicherer (das Sicherheitsargument zieht immer bei den Damen). Gleichzeitig sitzt You Song jetzt aber etwas höher und bequemer. Nochmal achtzehntausend Kilometer auf einem Sack mit harten Zeltstangen kann ich ihr nicht antun.

Der geplante Reisetermin ist im Herbst 2020. Bis dahin ist noch viel zu tun. Zwar fahren wir diesmal nicht durch siebzehn Länder wie 2018 und wir brauchen auch keine sieben Visa. Die dünne Luft auf viertausend Metern Höhe im Pamir bleibt uns erspart und so Gott will werden wir keinen kirgisischen Straßenräubern mit ihrer Radarpistole begegnen. Stattdessen putzige Känguruhs, niedliche Koalas und lachende Kookaburras. (Die giftigen Spinnen, Fünf-Meter-Krokodile, Haie und Schlangen machen sicher einen großen Bogen um uns). Also: Auf nach Australien!

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