Am 30. April können wir nach Tadschikistan einreisen, deswegen machen wir am Morgen alles fertig. Die BMW steht im Hof des Hotels – und hat wieder einen Patschen. Der clevere Norbert packt den Airman aus, eine kleine Reifenpumpe, die er eigens für solche Zwecke mitgenommen hat, und tatsächlich, der Motor springt an und pumpt den Reifen wieder auf. Natürlich weiß keiner wie lange das halten wird, deshalb geschwind aufgepackt und losgefahren.
Die tadschikische Grenze ist nicht weit und die Straße ist gut, bis uns unser bescheuertes Navi auf zwanzig Kilometer Umweg durch usbekische Dörfer schickt. Schotter und Steine, und natürlich die Schlaglöcher in denen man Hunde begraben kann, aber die Mutter der Schlaglöcher bleibt aus und plötzlich stehen wir vor einem Grenzbalken. Das ist zwar nicht der reguläre sondern irgendeine Kontrollstelle im Niemandsland, aber die Grenzposten langweilen sich, machen Fotos mit uns und schließlich fährt einer mit dem Auto vor und bringt und zum richtigen Grenzübergang.
Als wir von der Schotterstraße einbiegen, stehen dort jede Menge Taxis und Leute. Ich werde nervös, weiche aus, will stehenbleiben und schon liegen wir wieder auf der Schnauze. Zwanzig Leute springen herbei, richten die BMW wieder auf und stellen uns wieder auf die Füße. You Song ist nichts passiert, die BMW hat einen kaputten Blinker, der aber im Nu von den Helfern wieder zusammengeklebt wird, nur mich hat’s diesmal erwischt. Ich hab mir wohl kräftig die Rippen auf der linken Seite geprellt. Im ersten Moment spüre ich nicht viel, ich will nur schnell über die Grenze. Das ist diesmal einfacher als erwartet, auf beiden Seiten geht es schnell und unbürokratisch. Noch zehn Dollar Road Tax und schon sind wir unterwegs in Tadschikistan.
Die Straße ist ein Traum, guter Asphalt und keine Löcher, also beschließen wir bis Duschanbe durchzufahren. Wir ueberholen auch ein paar Fernradfahrer – die armen Hunde, wenn die wuessten was noch vor ihnen liegt.
Die Landschaft ist völlig verschieden von Usbekistan, links und rechts hohe Berge und wir fahren durch ein fruchtbares Tal. Das Tal verengt sich schließlich immer mehr und wird zu einer Schlucht. Immer wieder gibt es grüne Flecken dazwischen wo kleine Dörfer stehen. Ich hoffe dass es so bis Duschanbe weitergeht und wir über keine Pässe fahren müssen. Leider ist dem nicht so. Etwa hundert Kilometer vor Duschanbe geht es rechts den Berghang hoch und es nimmt kein Ende. Schneebedeckte Gipfel überall und dazwischen die Bergstraße, die sich immer höher windet. Am Höhepunkt schließlich ein dunkles Loch vor uns.
Mir wird schlecht als ich die Tafel am Eingang lese: fast sechs Kilometer Tunnel. Hilft nichts, Scheinwerfer an und rein in das Loch. Drinnen ist es besser als erwartet, einige Funzeln an der Decke zeigen an wo es ungefähr weitergeht und der Straßenbelag ist einigermaßen ok. Wir tasten uns durch den Dunst und die Abgase der LKWs voran und schließlich zeigt uns ein Lichtschimmer das Ende des Tunnels an. Die Landschaft ist grandios, als wir herauskommen, aber ich habe ein seltsames Gefühl im Hintern: wir haben wieder einen Patschen.
Ich bleibe stehen und versuche den Reifen mit dem Airman wieder aufzupumpen, aber keine Chance, der Riss im Reifen hat sich wieder geöffnet und alles pfeift dort raus. Noch dazu ist jetzt auch der Tank leer, die ständige Fahrerei in den kleinen Gängen hat mehr Treibstoff gekostet als erwartet. Da die Tankanzeige der BMW nicht richtig funktioniert haben wir immer die gefahrenen Kilometer seit dem letzten Tanken als Richtwert genommen, und die stimmen jetzt gar nicht. Glück im Unglück: wir stehen kaum zwanzig Meter neben einem Straßenwärterhaus und da kommen auch schon zwei tadschikische Straßenwärter. Kaum auszudenken wenn wir die Reifenpanne im finsteren Tunnel gehabt hätten, mir gehen nicht so schnell die Ideen aus, aber daran will ich gar nicht denken.
Wir schieben also die platte BMW zum Haus, das zwar groß ist aber ziemlich verfallen ausschaut. Mit Händen und Füßen machen wir uns verständlich, dass wir einen Abschleppwagen nach Duschanbe brauchen. Die Tadschiken telefonieren, aber es gibt scheinbar kein Ergebnis. Schließlich rufe ich eine Nummer in Duschanbe an, die wir im Internet als Werkstatt gefunden haben. Es ist aber der Präsident des dortigen Motorradclubs und auch er kann keinen Abschleppwagen besorgen. Er rät mir, den kaputten Reifen selber auszubauen und per Autostopp nach Duschanbe zu fahren oder einen der vielen vorbeifahrenfen Lastwagen anzuhalten damit er uns mitnimmt. Meine Rippen tun mittlerweile höllisch weh und ich kann gar nichts tun, nichtmal die Taschen zum Haus tragen. You Song schleppt sich ab – wir werden also die Nacht hier verbringen.
Unser Gastgeber heißt Bachtiyurt Rachmanov und zeigt uns den Palast. Zwei der vielen Zimmer sind bewohnbar, in einem wird gekocht und gegessen, im anderen stehen vier Betten, ein Kanonenofen und ein Fernseher. Zum Waschen rinnt Wasser aus einem Schlauch neben der Tür, das Klo ist indisch: jenseits des Ganges, in diesem Fall noch über den Hof. Bachtiyurt teilt mit uns sein kärgliches Abendmahl (Eintopf aus Kartoffeln, Makkaroni und Getreide und Tee),
dann radebrechen wir noch ein wenig mit Hilfe eines Russisch-Wörterbuchs, das die clevere You Song in weiser Voraussicht mitgenommen hat mit Bachtiyurt und dann gehen wir schlafen. Unser Pyjama besteht wieder aus Pullis, Jacken und Thermohosen, denn es wird nicht geheizt und wir sind auf geschätzten zweitausendfünfhundert Metern. Im Bett ist es trotzdem angenehm warm und als ich irgendwann Mal kurz aufwache höre ich es draussen rauschen. Scheiße – Regen. Am nächsten Morgen regnet es leicht und die Berge liegen im Nebel. Laut Bachtiyurt soll heute ein Abschleppwagen kommen, möglicherweise haben wir ihn aber auch missverstanden. Wir warten.
Wie sich herausstellt haben wir gestern auch noch die GoPro verloren. Die war am vorderen Kotflügel befestigt und hat sich irgendwann losgerüttelt. Ich hab zwar einen kurzen Schlag am linken Schuh gespürt aber gedacht das ist ein Stein. Die meisten Videos habe ich gottseidank auf der Festplatte gespeichert, jetzt müssen wir halt mit den Handies filmen.