Heute bleiben wir in Taldiqorgan (oder wie man das schreibt). You Song ist nicht auf dem Damm mit Magenproblemen, draußen ist strahlender Sonnenschein aber Sturm und es ist ziemlich kalt. Unser Hotel ist super, das Zimmer im elften Stock sehr bequem und die BMW steht sicher in der Garage.
Gestern hat sie in Almaty ein Gesamtservice bekommen, alles gecheckt und gewaschen. Jetzt läuft sie wieder super.
Zeit also, eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Bis Ulan Bataar sind es noch geschätzte dreitausend Kilometer, die Mehrzahl davon allerdings auf schlechten bzw. keinen Straßen. Wir rechnen mit etwa zwei Wochen Fahrzeit bis dorthin. Dann entscheidet es sich: wenn wir ein chinesisches Visum bekommen werden wir doch den kurzen Weg zur Fähre nach Tianjing nehmen. Falls nicht müssen wir wie geplant um China herum nach Vladivostok fahren und von dort die Fähre nach Korea nehmen. Das wären dann nochmals etwa dreitausend Kilometer durch Russland.
Wie schaut also unsere Zwischenbilanz aus?
Verlorene Dinge:
- 1 Fuelfriend Benzinflasche (noch eine vorhanden)
- 2 Gummibandbefestigungen (noch vier vorhanden)
- 2 Befestigungsschrauben am Unterbodenschutz(in Almaty erneuert)
- 1 Schneidezahn von You Song (noch drei vorhanden)
- 1 GoPro Hero 3 (China-Klon noch vorhanden)
- 1 Haltetuch an meiner Motorradjacke (wo sich You Song festhält wenn sie hinter mir sitzt, ist wahrscheinlich vom Waschen im Hotel nicht zurückgekommen- eines ist noch da)
- Gewicht (sowohl You Song als ich sind schlank geworden)
- 2 Wasserflaschen (wir haben beim nächsten Greißler neue gekauft)
- 2 Geldsäckchen mit jeweils vierhundert Dollar (die sind aus meiner Motorradjacke rausgefallen, aber You Song hat es gleich bemerkt, seitdem sind die Säckchen extra angenäht)
- 1 BMW Emblem auf dem hinteren Kotflügel (hat sich noch vor dem Pamir verabschiedet)
- Etwas Unbekümmertheit (der schwierigste Teil mit dem Pamir liegt zwar hinter uns, aber vor den unbefestigten Straßen in der Mongolei habe ich Respekt und etwas Federn)
Im Großen und Ganzen geht es uns aber gut. Wir haben fantastische Landschaften gesehen, nette Leute kennengelernt und unvergessliche Erfahrungen gemacht. Wir sind daher guter Dinge, auch den Rest unserer Reise gut hinter uns zu bringen.
Gestern hatten wir eine seltsame Begegnung. Bei voller Fahrt überholte uns ein Auto, aus dem Seitenfenster winkte eine ältere Frau mit einem Geldschein und wir mussten anhalten. Wir wurden zwar schon oft angehupt, begrüßt und mit „Daumen hoch“ überholt, aber nicht zum Anhalten genötigt. Der Fahrer – ein älterer Herr – und seine Frau stiegen aus, die Dame drückte mit einen zweihundert Tenge Schein in die Hand und beide redeten sehr freundlich auf uns ein, wovon ich nur „Guten Tag“ auf Deutsch verstand. Danach stiegen sie wieder in ihr Auto und fuhren weiter. Wir überlegten lange, was das bedeutete. Wahrscheinlich hatten beide irgendeine Beziehung zu Österreich, womöglich noch aus dem Krieg, und freuten sich uns zu sehen. Den Geldschein heben wir jedenfalls als Glücksbringer auf.
Beim Lesen dieser Zwischenbilanz fallen mir Ainuk, Orla und Kinalik beim Rennen ein: auch wenn ihnen die Zunge schon bis zu den Vorderpfoten hing, sie hatten den „desire to go“. In diesem Sinne: Norbert, You Song GO !