Als wir am Morgen von Osch aufbrechen wollen beginnt es leicht zu regnen. Wir warten kurz, entscheiden uns dann aber doch aufzupacken. Zuerst verfahren wir uns und stehen nach ein paar Kilometern plötzlich vor der tadschikischen Grenze. Da wollen wir aber nicht hin, deswegen kehren wir wieder um. Der clevere Norbert erinnert sich, beim Hereinfahren nach Osch eine Abzweigung nach Bischkek gesehen zu haben, also quälen wir uns eine Stunde durch den Stadtverkehr und schwenken auf die richtige Straße. Inzwischen regnet es Schusterbuben und der clevere Norbert hat seine Regenhose tief im Gepäck vergraben, also gibt es nasse Beine.
Wieder ist die Landschaft wunderschön, jedenfalls das, was wir zwischen den Regenwolken davon sehen können. Leichte grasbewachsene Hügel, kleine Dörfer und Felder. Wir fahren um eine Kurve, die Straße ist leicht abschüssig und dann passiert es. Zwei Straßenräuber haben eine Falle aufgestellt. Schon winkt uns der eine mit seiner roten Kelle zur Seite. Sein Kirgisisch verstehe ich nicht, aber er zeigt mir ein Bild auf seinem Radargerät: wir auf der BMW, daneben steht „63“. Fünfzig wären erlaubt gewesen. Wir diskutieren, er auf Kirgisisch und Russisch, ich auf Deutsch und Englisch, kommen aber auf keinen grünen Zweig. Das einzige deutsche Wort das er kennt ist „Strafe“, das habe ich mir aber ohnehin schon gedacht. Unsere Pässe will er nicht sehen, aber den Zulassungsschein der BMW und meinen Führerschein. Ich gebe ihm beides – und das war ein Fehler. Jetzt hat er Geiseln, die er nicht mehr rausrücken wird bis er uns kräftig geschröpft hat. Er erzählt mir irgendwas von Protokoll schreiben und zeigt mir seine Fangquote des Tages: einige Protokollzettel mit angehefteten kirgisischen Führerscheinen. Ich kriege mit dass man anscheinend die Strafe bei der Bank einzahlen muss bevor man seinen Führerschein irgendwie wiederkriegt. Das geht nun bei uns gar nicht und ich schlage vor, das anders zu regeln. Das versteht er wiederum sofort und er zeigt mir in einem kleinen Heft ein Bild von einem Motorrad, wo „5000 Som“ daneben steht. Ich nehme an, das ist der Strafenkatalog, es könnte aber auch nur ein Motorrad sein das fünftausend Som kostet und er gerne haben möchte. Wir haben nur tausendfünfhundert Som und ich schlage Dollar vor. Der Räuberhauptmann kommt dazu (er hat die eindrucksvollere Uniform) und schreibt ohne zu zögern „100“ in den Staub seines Fahrzeuges. Ich beginne zu jammern und zeige meine Geldbörse, wo nur etwa sechzehn Dollar und tausendfünfhundert Som drin sind. Ungerührt zeigt der Räuberhauptmann auf You Song, die auf der anderen Straßenseite beim Motorrad der Dinge harrt, die da kommen. Der Mann weiß wer das Geld hat. You Song kommt herüber und kramt weitere fünfzig Dollar aus ihrer Bauchtasche. Gottseidank haben wir alles andere vielfältig verteilt im Gepäck. Wenn die Räuber wüssten dass im Futter meiner Motorradjacke mehr als dreitausend Dollar eingenäht sind würden sie mich bis auf die Unterhose ausziehen. Wir einigen uns also auf sechzig Dollar plus die tausendfünfhundert Som, die die Räuber in meiner Brieftasche gesehen haben. Ich darf alles auf den Rücksitz des Räuberautos legen und bekomme meine Papiere zurück. Bevor wir weiterfahren erkundigen sich die Räuber noch nach dem Preis des Motorrades und bedauern danach wahrscheinlich dass sie uns so billig davokommen haben lassen.
Inzwischen hat der Regen nachgelassen und streckenweise kommt sogar die Sonne heraus. Es wird hügelig und schließlich biegen wir in ein Tal ein, das immer mehr zum Gebirgstal wird.
Über hundert Kilometer lang fahren wir so dahin, eine wunderschöne Berglandschaft mit kleinen Dörfern dazwischen. Gegen Abend umfahren wir einen See und es stellt sich die tägliche Frage: wo werden wir übernachten? Das Navi sagt uns „Hotel 113 in achtundzwanzig Kilometern“ und Recht hat es.
Wir bekommen noch eine Kammer unter dem Dach, denn das Hotel ist gut besucht. Soviel Auswahl gibt es in dieser Gegend nicht. Ein Abendessen ist auch noch drin und dann ruhen wir bis zum Morgen in unseren zwei Holzkisten.
Ausgezeichneter Bericht. Ich kann den ‚Raubueberfall‘ bis ins Detail nachvollziehen. Mit dem einen Unterschied dass unsere aehnlichen Erfahrungen 20 mal ‚Raubueberfaelle‘ waren ( Allerdings nicht am Pamir. Man koennte in Eurem Falle von ‚Pamirautobahngebuehr‘ sprechen. Bei uns waren es Dschungelabgaben.
Man hoert sich.