In Murghab finden wir das Pamir Hotel, ein kleines Haus mit richtigen Zimmern und Betten, allerdings wird es nicht beheizt und es ist schweinekalt. Die Dusche bleibt daher trocken, aber immerhin haben wir ein Klo im Zimmer und muessen nicht ueber einen Hof zur Aussentoilette (sprich: Loch im Boden) wandern. Der Manager des Hotels ist Tadschike und spricht erstaunlicherweise nicht nur Englisch sondern auch Deutsch. Er hat Deutsch in der Schule in Osch gelernt und wir unterhalten uns lange ueber seine Plaene fuer den Ausbau des Tourismus im Pamir. Ausser uns sind noch einige Russen da, die aber mit einem Auto unterwegs sind. Er informiert uns auch ueber den Zustand der Strasse und der Paesse, die noch vor uns liegen. Alles klar, meint er, nur die Abfahrt vom letzten Pass auf tadschikischem Gebiet, wo auch der Grenzuebergang nach Kirgisistan ist, sei schwierig, meint er. Wie sich herausstellen wird hat er nicht uebertrieben.
Beim Losfahren freuen wir uns ueber eine relativ gute Strasse bis zum viertausendsechshundertfuenfzig Meter hohen Akbaytal Pass.
Wie ueblich ist die eigentliche Passhoehe wieder Schotterpiste aber wir ueberqueren sie ohne Probleme. Die naechsten hundert Kilometer bieten einerseits herrliche Ausblicke auf die Bergspitzen des Pamir Gebirges und schliesslich eine Fahrt entlang des Karakul-Sees, der immer noch gefroren ist.
Der Himmel ist blau und wolkenlos, die Berge weiss und schneebedeckt und die Sonne scheint strahlend. Zwei Paesse liegen noch vor uns, der Uy Bulog Pass mit viertausendzweihundert Metern Hoehe und der Kizil Art Pass mit viertausenddreihundert Metern an der Grenze zu Kirgisistan. Die Piste waere nicht so schlecht – an die vielen Schlagloecher haben wir uns schon gewoehnt – aber kilometerlang ist sie durchpfluegt mit aeusserst unangenehmen Querrillen, die uns und die BMW so herbeuteln, dass mein Mittagessen wieder hochkommen wuerde, haette ich eines gehabt. Schliesslich ist auch das geschafft, wir ueberqueren den vorletzten Pass und machen uns an den Aufstieg zum letzten. Der ist nicht viel anders als die vorherigen und schon sind wir auf der Passhoehe, wo ein paar Buden und Container fuer die Grenzabfertigung stehen. Wir halten an und jetzt sehe ich, was der Hotelmanager in Murghab mit schwierig gemeint hat. Die ganze Flaeche beim Grenzuebergang ist durchpfluegt mit einen halben Meter hohen Schlammspuren. Gottseidank hat es seit einigen Tagen nicht geregnet und daher sind die Spuren heute trocken. Ich holpere also bis zur anderen Seite der Grenze und wir erledigen die Zollformalitaeten. Geschafft, denke ich, aber weit gefehlt. Die Abfahrt vom Kizil Art Pass auf der kirgisischen Seite ist ein Alptraum. Hier queren Baeche der Schneeschmelze von den Berghaengen ringsum die Piste, die sich noch dazu in steilen Serpentinen talwaerts windet. Ich finde zwar meist eine trockene Spur zum Runterfahren aber an manchen Stellen bleibt mir keine Wahl: hinein in den Schlamm, Augen zu und durch. Wie durch ein Wunder graebt sich unser Motorrad vorwaerts und ich schaffe es ohne Sturz oder Steckenbleiben bis ins Tal. Waere das Wetter nur etwas anders – feuchter – gewesen, wir haetten keine Chance gehabt hier runterzukommen.
Ich bewundere einmal mehr You Song, die ohne Panik hinter mir sitzt und mich immer wieder beruhigt und aufmuntert. Ich bin schweissgebadet und total verkrampft, als wir endlich auf einer etwas normaleren Strasse unterwegs sind. Noch eine Zollkontrollstation in Kirgisien und nach zehn Dollar Zollgebuehr sind wir auf dem Weg nach Sary Tasch, der ersten groesseren Siedlung in Kirgisien. Sary Tasch liegt am Rand eines Berghanges auf der anderen Seite eines grossen Tales und wir bewundern das herrliche Bergpanorama des Pamir, der sich hier bis China erstreckt. Hier finden wir wieder ein „Hotel“, das allerdings eher den Charakter eines Bauernhofes hat.Vier Ungarn mit ihren Motorraedern sind schon da, die allerdings den umgekehrten Weg von Osch ueber den Pamir Highway vorhaben. Der Leiter der Gruppe kennt allerdings die Strecke genau, weil er sie schon oefters befahren hat. Schiesslich kommen noch vier andere Reisende dazu, drei Burschen und ein Maedchen, die ohne Fahrzeug unterwegs sind und aus China heruebergekommen sind. Sie organisieren sich immer wieder Transportmoeglichkeiten und kommen so schrittweise voran. Wir tratschen und tauschen unsere Erfahrungen aus, bevor wir uns auf unser Lager begeben – zwei Matratzen am Boden in einem Durchgangszimmer, das wie eine Mischung aus Kueche und Wohnzimmer aussieht. Egal, fuer zehn Dollar pro Person inklusive Abendessen und Fruehstueck passt es schon, ueberhaupt wenn man den herrlichen Ausblick auf das schneebedeckte Pamir Gebirge bedenkt, den es gratis gibt. Das Klo ist diesmal etwas anders: aus dem Haus, ueber den Hof, durch ein Gatter drei Meter nach unten an zwei Kuehen vorbei, die in der Nacht erschreckt schnaufen, wenn man mit der Taschenlampe vorbei geht, dann noch ueber zwei Laufplanken und voila, schon ist das Loch im Boden da, sogar mit Beleuchtung.
Der Morgen bringt wieder herrliches Wetter, You Song schenkt der Dame des Hauses ihre alte Daunenjacke, die schon unsere Tochter Sora ausgemustert hat und wir sind unterwegs Richtung Osch in Kirgisien. Ab hier ist die Strasse ein Traum: voll asphaltiert, keine Schlagloecher und eine herrliche Landschaft. Zuerst geht es noch ueber den Taldyk Pass, der uns aber mit seinen dreitausendsechshundert Metern nicht mehr schreckt. Danach fahren wir durch wunderschoene Taeler die schoen langsam wieder gruen werden, wir sehen auch endlich wieder die ersten Buesche und Baeume. Streckenweise kommen wir uns vor wie im Hochgebirge in den Alpen, nur die Haeuser sind anders gebaut und die Landschaft wirkt insgesamt rauher und wilder. Wir begegnen vielen Schulkindern, die uns zuwinken und kommen kaum nach mit dem Zurueckwinken. Bis Osch sind es etwa zweihundert Kilometer, die aber auf der perfekten Strasse kein Problem sind. Der kirgisischen Stadt Osch fehlt nur ein „M“ zur Perfektion, wir haben also grosse Erwartungen und sind gespannt.
In Osch suchen wir ein Hotel und werden fuendig. Nach den Strapazen der letzten Tage wollen wir uns richtig ausruhen und das Hotel, dessen Namen ich nicht entziffern kann, weil er kyrillisch geschrieben ist, bietet all das inklusive Pool. In drei Tagen wollen wir wieder aufbrechen, Richtung Bischkek, das sind etwa sechshundert Kilometer. Wir werden also mindestens eine Zwischenuebernachtung brauchen, die Strecke nach Bischkek soll aber wunderschoen sein.