Unser nächstes Tagesziel ist Chorough, von wo sich der Pamir Highway nach Osten so richtig ins Gebirge schwingt. Wir machen uns also auf den Weg – die zweihundertvierzig Kilometer sind schnell abgespult, denken wir – und schon brettern wir durch die ersten Schlaglöcher. Links Tadschikistan, rechts Afghanistan, dazwischen ein Fluss und ein Saumpfad, der sich M 41 nennt.
Irgendwann mal war er wohl asphaltiert, denn zwischen Schotter, Sand und Erdlöchern lugen dann und wann ein paar Meter Asphalt hervor. Unmöglich, schneller als Schrittgeschwindigkeit zu fahren, noch dazu kommen manchmal Zwanzigtonner mit Anhänger um eine Kurve in der Felswand. Dann müssen wir uns so weit wie möglich an den rechten Straßenrand pressen ohne in den Grenzfluss zu fallen und nach Afghanistan abgetrieben zu werden.
Nach fünf Stunden Zuckelfahrt ist uns klar: das wird heute nix mehr mit Chorough. Wir beginnen uns daher nach einer Unterkunft umzusehen, das ist aber nicht so einfach. Wir kommen zwar durch Dörfer, aber nirgendwo ein Hinweis auf ein Guesthouse oder eine andere Übernachtungsmöglicheit. Als es langsam dunkel wird befrage ich unser Navi. Wenn es uns jetzt eine brauchbare Adresse liefert verzeihe ich ihm den Umweg vor der tadschikischen Grenze. Und wirklich: in vierzehn Kilometern gibt es was, sagt das Navi. Wir fahren noch an einem See entlang und kommen nach Rushan. Ein erlösendes Schild: “ Guesthouse“ neben der Straße und schon haben wir ein feines Zimmer im ersten Stock mit Balkon. Die Hausfrau war Abgeordnete, ist jetzt in Pension und bekocht uns zwei Tage lang, während denen wir uns auf den hohen Abschnitt des Pamir Highway vorbereiten.
Schließlich geht es wieder los. Bis Chorugh ändert sich nichts, wir fahren entlang der afghanischen Grenze durch ein schroffes Tal. Phasenweise wird die Straße etwas besser, aber nur bis zu den nächsten Schlaglöchern, die heimtückisch auf uns warten. Dann beginnt der Anstieg ins Pamir Gebirge.
Wir haben eine Karte mit dem Höhenprofil der Strecke und schaudern vor dem langen Teil, der über dreitausendfünfhundert Meter liegt, deshalb wollen wir noch ein oder zweimal vorher übernachten, bevor es wirklich über die hohen Pässe geht. Wir finden aber kein Quartier. Immer höher windet sich die Straße, das letzte Stück über den ersten Pass auf viertausenddreihundert Meter ist wieder grimmigster Schotter. Dahinter geht es leicht bergab, aber nur bis auf etwa dreitausendneunhundert Meter. Wir halten verzweifelt Ausschau nach einer Übernachtungsmöglichkeit, aber da ist nichts. Grandiose Berge links und rechts, eine wüste Hochebene dazwischen aber kein Dorf weit und breit. Wir sehen Schaf- und Ziegenherden und sogar eine Herde Yaks. Sobald die Sonne hinter den Berggipfeln verschwindet wird es empfindlich kalt. Dann, nach einer Kurve um einen Hügel, ein paar Häuser. Wie sich herausstellt sind wir in Alichur, und hier soll es Homestay geben. Ich fahre von der Straße auf den Schotterweg durchs Dorf und sehe auch schon eine einladende Schrift an der Außenwand eines Gehöfts.
Wir klopfen und tatsächlich, wir können hier übernachten. Das Zimmer ist einfach aber warm und wir bekommen auch Tee und ein Abendessen.
Die Höhe macht uns schon zu schaffen, jede kleinste Bewegung ist anstrengend, aber wir schlafen erstaunlich gut auf den Matten am Boden. Am Morgen bringt uns der Hausherr ein Frühstück – Tee mit Gebäck und Reissuppe – bevor er seine Ziegen hüten geht. Wieder wundern wir uns wie einfach man leben kann, die Menschen hier sind an die Höhe gewöhnt und haben das was sie brauchen. Der Unterschied zu unserer westlichen Überfluss-Luxusgesellschaft ist schon gewaltig.
Das Aufpacken unserer Gepäckstücke am nächsten Morgen dauert noch länger als sonst, nach jeweils drei Handgriffen machen wir schnaufend Pause. Wir sind froh dass wir keine richtige Höhenkrankheit bekommen haben und beim Weiterfahren haben wir keine Probleme. Heute fahren wir nur etwa hundert Kilometer nach Murghab, das ist eine kleine Stadt die auch etwas tiefer liegt (auf nur etwa dreitausendfünfhundert Meter). Dort wollen wir uns auf die letzte Etappe des Pamir Highway vorbereiten, die uns auch über den höchsten Pass (viertausendsechshundert Meter) führen wird.
Lieber Norbert u. Yousong,
Dies sind die Gedanken, die beim Lesen Eurer Berichte aufkommen: ‚ Einzigartig, extrem, spannend ‚. Alleine die Bergwelt ist sicher die Reise wert; alles hoert sich an wie Tibet. Die Schlagloecher werden – laut Erfahrung zum Albtraum. Ungeahnte Dimensionen, die sich hier offenbaren.
Nach oftmaliger Betrachtung Eurer Koordinaten war ich anfangs etwas beunruhigt, speziell betreffend der geringen zurueckgelegten Distanz. Ich hatte jedoch die richtige Erklaerung parat, die sich auch bestaetigte: Ihr faehrt auf feinster Seidenstrasse. –
Daumen ist vor lauter Druck eingeschlafen..
LGr. H + S
Endlich wieder ein Bericht! Auch ich war schon etwas beunruhigt, seid ihr doch in einem Gebiet unterwegs, das die meisten Österreicher, so wie ich, maximal vom Kreuzworträtsel her kennen.
Norbert du beschreibst aber auch sehr eindrucksvoll. Ich denke, es muss wirklich großartig sein. Freu mich schon auf eure Fotos !
Und mit dem Zuziehen von Blessuren reichts m.E. jetzt. Geprellte Rippen und ein ausgebissener Vorderzahn sind genug!
Alles Gute!